Moderner Vorhand Topspin am Tisch

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Vorhand Gegentopspin am Tisch

Als Erstes wollen wir uns ein Video des modernen Vorhand Topspins anschauen, um die Änderungen in der Schlagtechnik zu erforschen.

Vorhand Gegentopspin am Tisch

Wie im Video zu sehen ist, steht der Spieler direkt und fast parallel am Tisch und nimmt den Topspin des Gegners in der aufsteigenden Phase. Das Tempo des kommenden Balles wird genutzt und mit einem kurzen Vorhand Gegentopspin mit geschlossenem Schlägerblatt zurückgegeben. Die Ausholbewegung des Gegentopspins am Tisch ist sehr kurz, da eine lange Bewegung den Balltreffpunkt eher erschweren würde. Die Beschleunigung des Schlages wird durch eine kurze Unterarmbewegung erzielt.
Nun möchte ich Euch den Gegentopspin mal im Profibereich zeigen.

Wie oben in dem Video zu sehen ist, wird der Gegentopspin am Tisch von Harimoto direkt in der 1 Meter Distanz gespielt. Die Ausholbewegung ist sehr kurz und der Ball wird in der aufsteigenden Phase getroffen und das sowohl mit Vorhand als auch mit Rückhand.

1. Harimoto eröffnet einen etwas zu langen Schupfball von Wang mit einem aggressiven Topspin über dem Tisch.
2. Wang weicht sofort vom Tisch und geht in die Halbdistanz und versucht mit Gegentopspin den Ball im Spiel zu halten.
3. Harimoto bleibt am Tisch und zieht sowohl mit Vorhand als auch mit Rückhand am Tisch Gegentopspin. Gerade der Rückhand Gegentopspin ist als technisch sehr anspruchsvoller Schlag zu bezeichnen.
4. Durch die Gegentopspins am Tisch wird das Spiel so schnell, dass Wang einen Fehler macht.

Kommen wir nun zu den Abweichungen des modernen kurzen Topspins am Tisch gegenüber dem klassischen Topspin.

Folgende Abweichungen waren im Video zu sehen:
1. Der Spieler steht sehr nahe mit paralleler Grundstellung am Tisch.
2. Bei, den Vorhand Gegentopspins hat, er eine sehr kurze Ausholphase.
3. Der Balltreffpunkt ist in der steigenden Phase.
4. Die Ausschwungphase ist sehr kurz, um schnell in die Grundposition zurückzukehren.

Ich möchte diese Definitionen aus meiner Sicht noch erweitern: Der Vorhand Topspin soll durch eine schnelle möglichst kurze Bewegung den Ball so beschleunigen, dass er durch eine gekrümmte Flugbahn den Tisch berührt und zum Punktgewinn führt. Jedoch muss diese Bewegung mehrmals in kurzer Zeit wiederholt werden können, da der Ball ja vom Gegner zurückgespielt werden kann. Hierdurch ergeben sich nämlich Technikveränderungen, da die Komponente Zeitdruck hinzukommt.

Beispiel:
Ich habe in meiner Jugend noch eine sehr tiefe Ausholbewegung beim Vorhand Topspin gelernt. Mit dieser Technik wäre ein tischnahes Spiel nicht möglich, da der Ball viel zu schnell zurückkommt und ich den Balltreffpunkt verpassen würde. Aus diesem Grund wurde früher auch vorwiegend aus der Halbdistanz gespielt.

Kommen wir nun aber zu den taktischen Gründen dieses modernen Topspin Spiels.

Taktik – warum Gegentopspin am Tisch

Als Erstes möchte ich den Begriff Taktik untersuchen. Mit der Entstehung des modernen Sports wurde die Taktik (kommt ursprünglich aus der Kriegsführung) auch in den sportlichen Wettkämpfen angewandt. Das taktische Verhalten des Sportlers ist bei dem gegenwärtigen hohen Leistungsstand ein leistungsbestimmender Faktor geworden, der über Sieg oder Niederlage entscheiden kann. Unter dem Begriff »Sporttaktik« wird die Lehre von der Führung des sportlichen Kampfes verstanden. (Harre, Trainingslehre, 1975, S. 197)
Eine taktische Handlung ist eine auf Erfolg ausgerichtete Tätigkeit. Auf den Tischtennissport ausgerichtet bedeutet das, dass jeder Spieler versucht seine technischen, konditionellen und Willenseigenschaften so einzusetzen um den Wettkampf, zu gewinnen. Bricht man es auf einen Punkt herunter, versucht jeder Spieler schnelle Punktgewinne zu erzielen.
Wie oben schon dargestellt, ist das erfolgreichste Spielsystem die Angriffstechnik. Ob man Vorhand orientiert, beidseitig oder Rückhand orientiert angreift, spielt keine Rolle. Denn der Topspin ist die wichtigste Waffe des modernen Spiels geworden und heute im Jahr 2020 muss er beidseitig und von jeder Position gespielt werden können. Vor der Einführung des Plastikballs wurde noch versucht in Topspin gegen Topspin Duelle zu kommen. Heute wird aufgrund des Plastikballs und dessen Eigenschaften (wenig Rotation, stürzt ab; siehe oben) sofort Punktgewinne zu erzielen.

Lehrsatz:
Das Ziel des modernen Tischtennis ist es, sofort Punktgewinne zu erzielen.

Die taktischen Mittel um dieses Ziel zu erreichen wären:
1. Tempo
2. Platzierung
3. Rotation

Aufgrund des Plastikballes hat Punkt 3 Rotation an Wichtigkeit verloren, da der Ball nicht mehr viel Schnitt annimmt.
Punkt 2 Platzierung ist ein wichtiges taktisches Mittel, auf das ich später noch eingehe.

Beginnen möchte ich mit Punkt 1 Tempo. Trotz diverser Regeländerungen, wie Klebeverbot, 40mm-Ball und der Einführung des Plastikballes nicht langsamer und ist nach wie vor die schnellste Sportart (von der Reaktionszeit her) der Welt. Gerade die Einführung des Plastikballs sollte das Spiel ja langsamer und attraktiver machen. Herausgekommen ist, dass der Rückhand Bananen Flip und der Topspin über oder am Tisch das Spiel noch schneller gemacht haben.
Wie konnte das passieren?
Bedingt durch die Tatsache, dass der Plastikball nicht mehr viel Schnitt annimmt, kann ein kurzer Aufschlag aggressiv mit Bananen Flip gespielt werden.

Also mit dem taktischen Mittel Tempo will man erreichen, dass der Gegner keine Zeit mehr hat, einen vernünftigen Rückschlag zu spielen. Der Gegner soll nur noch unkontrolliert zurückspielen können. (Friedrich/fürste, Tischtennis, 2018, Seite 139)
Die Strategie Tempo kann durch zwei Möglichkeiten erzeugt werden:

1. Frühe Ballannahme
2. Schlaghärte
3. Technik (Schmetterball, Topspin)

1. Frühe Ballannahme
Mit der frühen Ballannahme, wenn der Ball in der aufsteigenden Phase getroffen wird, wird das Tempo des Gegners zurückgegeben. Hierdurch wird das Spieltempo erheblich erhöht. Die Strecke des Ballfluges ist also erheblich kürzer, der Ball ist schneller wieder beim Gegner (Flugstrecke des Balles hin und zurück).

2. Schlaghärte
Mit Schlaghärte bezeichne ich das maximale Tempo des Balles. Hier können wir als schnellste Technik wohl den Schmetterball, bis 170 km/st bezeichnen. Danach folgt der aggressive Topspin. Aber auch ein Flipschuss kann schon erhebliche Geschwindigkeit haben.

3. Technik
Wie unter 2 schon dargestellt entscheidet die Technik letztendlich über die mögliche Geschwindigkeit des Schlages. Ein Vorhand Topspin kann mit viel Tempo aber auch sehr langsam gespielt werden. Ein Ball, der mit Schnittabwehr gespielt wird, kann das Tempo eines aggressiven Topspins nicht erreichen.

Bewertung

Kommen wir nun zur Bewertung:

1. Schlaghärte
Je härter und schneller der Ball beschleunigt wird, sowohl beim Schmetterball als auch beim aggressiven Topspin, je höher wird die Fehleranfälligkeit. Nehmen wir noch eine Trainingsfrequenz von einmal/zweimal in der Woche an, so kann man annehmen, dass die Spielkontrolle dramatisch leiden wird. Tischtennis sollte unter taktischen Gesichtspunkten niemals ein Glücksspiel sein, sondern es sollte mit maximaler individueller Geschwindigkeit, bei größtmöglicher Kontrolle gespielt werden.

Ergebnis:
Für Spieler die nicht täglich professionell Trainieren, kommt beim Schmetterball oder Topspin die maximale Geschwindigkeit nicht in Betracht.

2. Technik
Der Topspin hat sich in den letzten Jahren deutlich durchgesetzt, da er im Gegensatz zum Schmetterball mit wesentlich höherer Sicherheit gespielt werden kann. Hier muss man nur die aktuelle Top 50 Weltrangliste der Herren anschauen und es sind ausschließlich Topspin Spieler vertreten.

3. Frühe Ballannahme
Gehen wir vom Topspin als wichtigsten Angriffsschlag aus, ist eine frühe Ballannahme in der steigenden Phase kein Problem. Der Topspin mit seiner gekrümmten Flugbahn ist die ideale Technik für einen Schlag über dem Tisch.
Weiterhin kann der Topspin mit entsprechender Technik ziemlich sicher über dem Tisch gespielt werden, denn der Topspin über dem Tisch wird nicht schnell mit Kraft gespielt, sondern langsam mit Technik. Ziel des Schlages ist es das Tempo des Gegners einfach zurückzugeben.
Ich trainiere mittlerweile schon im Schülerbereich den Topspin am Tisch.

Ergebnis:
Der Topspin am oder über dem Tisch ist der gefährlichste Angriffsschlag, da er das Spiel ungemein beschleunigt und doch sicher gespielt werden kann.
Er ist die Schlüsseltechnik des modernen Plastikballspiels und sollte schon im Schülerbereich trainiert werden.

Abweichende Technik beim Vorhand Gegentopspin am Tisch

Kommen wir zu den Technikänderungen beim Vorhand Topspin am Tisch / über dem Tisch.

Grundstellung
Die Grundstellung ist gegenüber der Grundtechnik parallel zum Tisch und das Gewicht sollte auf beide Füße gleichmäßig verteilt werden. Der Oberkörper sollte nach vorne gebeugt und in tiefer Stellung sein.

Im Beispielbild:
Lin holt hier zum Gegentopspin aus und es deutlich eine fast parallele Grundstellung zu erkennen.

Beispiel 2: Lin Y.J gegen Fan Z.D.
Hier im Beispiel ziehen beide Spieler Gegentopspin am Tisch in der ein Meter Distanz. Beide stehen parallel zum Tisch und laufen sogar parallel von der Rückhand in die Vorhandseite (im Video schön zu sehen).

 

Video Fan gegen Lin

Ausholphase

Die Ausholphase ist grundlegend anders. Es erfolgt keine Gewichtsverlagerung auf das rechte Bein und keine Ausholbewegung nach unten.
Der Oberkörper wird leicht nach rechts eingedreht und der Arm wird nach hinten auf derselben Ebene geführt. Nun wird der Oberkörper zurückgedreht und der Unterarm wird schnell angewinkelt. Die hauptsächliche Beschleunigung des Schlages wird durch die schnelle kurze Unterarmbewegung erwirkt. (Tischtennis Lehrplanreihe, Schlag- und Beinarbeitstechnik, 2007, S. 25)
Der Balltreffpunkt ist während der steigenden Phase und eher am Ende des »Goldenen Dreieck« vor dem Körper.
Der Vorhand Topspin am Tisch wird ohne Kraftaufwand gespielt, es ist die Technik des Schlages, die den Gegentopspin ausmacht. Letztendlich wird das Tempo des Gegners einfach zurückgegeben.

Kurze Ausholbewegung

Ausschwungphase

Nach dem Balltreffpunkt wird der Arm sofort in die Grundstellung zurückgeführt , um den nächsten Schlag ausführen zu können.

Hier ein Statement von Timo Boll in seinem Buch »Tischtennis mit Timo Boll« Seite. 144:
»Viele glauben, der Gegentopspin wäre sehr schwierig. Aber das stimmt nicht, wenn man das richtige Timing dafür entwickelt. Dazu gehört natürlich viel Übung und Erfahrung. Entscheidend ist neben der Technik aber die richtige Beurteilung der Rotation und des Ballflugs des ankommenden Topspinballs. Wenn du das kannst, wird der eigentliche Schlag auch einfacher in seiner Ausführung.«

Dem kann ich nur zustimmen und werde im nächsten Abschnitt die Einführung des Gegentopspins am Tisch mit einer Trainingseinheit beginnen.

In meiner »App TT-Coach« findet ihr regelmäßig Gegentopspinübungen. Sogar im Schülertraining gehört die Ausbildung dazu.

Kurze Ausschwungphase